Jean Coulthard


Archives Canada; Erik Engholm
Archives Canada; Erik Engholm

Jean Coulthard

* 10. Februar 1908 in Vancouver

† 9. März 2000 in North Vancouver



Jean Coulthard

1908–2000

 

Introduction and Three Folksongs [1976]

aus: »Canadian Mosaic« [1974]

Europäische Erstaufführung

 

1.

Lullaby for a Snowy Night 

(Wiegenlied in verschneiter Nacht)

2.

Mam’zelle Québécoise

(Das Fräulein aus Québec)

3.

Contented House

(Gemütliches Zuhause)

4.

Billowing Fields of Golden Wheat

(Wogende Weizenfelder)

 

 

► Programm Nr. 15


»Introduction and Three Folksongs« entstand 1976 als Auftragswerk des Vancouver Symphony Orchestra für eine China-Tournee. Coulthard arrangierte dafür Sätze aus ihrer Suite Canadian Mosaic / auch: Canada Mosaic [1974] für Kammerorchester.

 

Die vier Sätze spiegeln Kindheitserinnerungen wider, verarbeiten Themen kanadischer Volksmusik und schildern Landschaftsimpressionen.

 

Zum ersten Satz »Lullaby for a Snowy Night«, also etwa: Wiegenlied in verschneiter Nacht, inspirierte sie ihre Enkeltochter, durch die sie daran erinnert wurde, wie sie selbst als Kind beim Einschlafen aus dem Fenster schaute... Am nächsten Morgen würde die Welt ganz anders aussehen! 

 

Dem zweiten Satz »Mam’zelle Québécoise« liegt das sehr beliebte Lied »La belle françoise« aus der Gegend um Montréal in der Provinz Québec zugrunde. 

 

Im dritten Satz »Contented House« erinnert sich Coulthard an das »gemütliche Zuhause« ihrer Kindheit. Er basiert auf dem berühmten französisch-kanadischen Lied »À la claire fontaine«, das das Lieblingslied des Premierminister Kanadas, Sir John A. Macdonald, gewesen sein soll, und das er sich als Lied für seine Beerdigung ausgewählt hatte.

 

Im Vierten Satz »Billowing Fields«, was vielleicht mit »Wogende Felder« übersetzt werden kann, werden die endlosen Weiten Kanadas beschworen: Tagelang fährt man ohne eine einzige Abwechslung, nur den fernen Horizont vor Augen, umgeben von im Winde wogenden Weizenfeldern. Coulthard lässt hier Celli und Hörner ein altes Lied von »Not und Elend« intonieren, das seinerzeit die ersten Siedler im kanadischen Westen sangen. 

 

Die Mischung verschiedener Stile in dieser Suite erzählt etwas über Jean Coulthards Ausbildung und Lebensstationen: 1908 geboren kam sie in den späten 20er-Jahren als eine der ersten Komponistinnen Kanadas nach Europa, wo Ralph Vaughan Williams am Royal College of Music sich zwar anerkennend über sie äußerte, sie letztendlich aber nicht wirklich unterstützte. Frauen hatten es damals schwer, als Komponistinnen anerkannt zu werden, und während Zeiten wirtschaftlicher Depression fanden sie wenig Verständnis dafür, wenn sie sich – wohlgemerkt: unverheiratet – in aller Herren Länder herumtrieben, um zum Beispiel die Bekanntschaft mit Kollegen wie Copland, Milhaud, Schönberg oder Bartók zu suchen.

 

Nach Nordamerika zurückgekehrt machte Coulthard ihren kompositorischen Abschluss an der Juilliard School und ließ sich an der Westküste Kanadas nieder, wo sie heiratete und sich, neben ihrer Tätigkeit als Komponistin, ihrer Familie widmete. 1978 erhielt sie den Order of Canada, Kanadas höchste Auszeichnung für Zivilpersonen, und kurz darauf die Ehrendoktorwürde an zwei verschiedenen Universitäten. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2000 behauptete sie hartnäckig, dass all ihre Verdienste nichts als eine Erbschaft aus ihrer Familie seien. Dabei darf man sie ganz sicher als gefeierte Vor- und Einzelkämpferin des 20. Jahrhunderts bezeichnen.

 

Wir freuen uns, die Europäische Erstaufführung der »Introduction and Three Folksongs« von Jean Coulthard präsentieren zu können. 

| E. S. W. | M. K.