Camille Saint-Saëns


Camille Saint-Saëns
unbekannter Zeichner 1858

Charles Camille Saint-Saëns  

* 9. Oktober 1835 in Paris

† 16. Dezember 1921 in Algier



Introduction e Rondo capriccioso


Camille Saint-Saëns

1835–1921

 Introduction et Rondo capriccioso

für Violine und Orchester opus 28

 

 

Dieses Werk wurde von Elena Loevskaya

am 29. und 30. 5. 2004

im Programm  »Klassik im Salon 6« gespielt


Camille Saint-Saëns komponierte »Introduction et Rondo capriccioso« im Jahre 1863 zunächst als Teil seines 1. Violinkonzerts op. 20, das er 1859 für den damals 15-jährigen spanischen Geigenvirtuosen Pablo de Sarasate (1844–1908) zu schreiben begonnen hatte. Sarasate, der heute noch als Komponist der »Zigeunerweisen« bekannt ist und dem beispielsweise Édouard Lalo seine »Symphonie espagnole« und Max Bruch sein 2. Violinkonzert gewidmet haben, galt neben Joseph Joachim nach der Mitte des 19. Jahrhunderts zweifellos als einer der bedeutendsten Geiger, dessen makellose Technik und voller Ton das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinrissen – seine jünglingshafte Gestalt tat hierzu ihr Übriges.

 

Bei der Uraufführung des Violinkonzerts am 4. April 1867 mit Sarasate als Solisten und Saint-Saëns als Dirigenten fand der letzte Satz einen so gewaltigen Anklang, dass sich der Komponist entschloss, ihn unter dem Titel »Introduction et Rondo capriccioso« mit der Opuszahl 28 als eigenständiges Werk herauszugeben. Es war die Mischung aus sehnsuchtsvollem Ton in der Introduction sowie spanischem Kolorit und höchster Virtuosität im Rondo, die diesen durchschlagenden Erfolg herbeigeführt hatten. Sarasate hat dieses Stück daher auch bis zum Ende seiner Solistenkarriere im Repertoire gehabt, viele berühmte Geiger haben es schon bald nachgespielt, und bis heute ist dieses Werk die wohl bekannteste Solokomposition von Saint-Saëns geblieben. | U. Sch.



Orgelsinfonie


Camille Saint-Saëns

1835–1921

 

»À la mémoire de Franz Liszt«

Symphonie N° 3 »avec orgue«

c-Moll op. 78

[1886]

 

I

 1.  Adagio – Allegro moderato

           attacca

      2.  Poco adagio

 

II

3.  Allegro moderato – Presto – Allegro moderato

attacca

      4.  Maestoso – Più allegro

 

 

8. 2. 2015 ► Programm Nr. 28 


Jüngster Tag, Jüngstes Gericht, Dies irae, Tag des Zorns,
Originalblatt mit koloriertem Holzschnitt aus dem Laienspiegel von Ulrich Tengler. Verlegt von Matthias Hupfuff, Straßburg 1514

 

Das signifikante Maestoso inspirierte das Duo Scott Fitzgerald und Yvonne Keeley zu der Reggae-Adaption If I Had Words, die 1978 zu einem Chart-Erfolg wurde. 


Quellen:

– Portraitphoto: Nadar –  Zitat: nach: Michael Stegemann: Camille Saint-Saëns mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, 1988. – Andrew Deruchie: The French Symphony at the Fin de Siècle: Style, Culture, and the Symphonic Tradition. 2013 (S. 15–55) s. a. Roger Nichols (Hg.): Camille Saint-Saëns on Music and Musicians. 2008 (S. 3–11) daraus: Calmann-Lévy: Harmonie et mélodie. 1899 (Introduction. S. 1–31) – Zitat: Camille Saint-Saëns : Regards sur mes contemporains. (Hg. Ed. Bernard Coutaz, 1990. S. 83) – Dies irae: nach Wikipedia; http://interletras.com/canticum/Partituras/

dies_irae.htm 

Die dritte Sinfonie von Camille Saint-Saëns ist eine wahre Klangkathedrale. Im Zentrum stehen die eklektischen und pluralistischen Überzeugungen des Komponisten, die Saint-Saëns als unabdingbare Voraussetzungen für musikalischen und gesellschaftlichen Fortschritt erachtete.

 

Saint-Saëns wollte mit seinem Werk – ein Auftragswerk für die Royal Philharmonic Society – den französischen Kompositionsstil wiederbeleben. Zur Zeit der Uraufführung – 1886 in London – befand sich sein Heimatland Frankreich im Wagner-Fieber: die Mehrzahl der französischen Komponisten war der festen Überzeugung, dass einzig Wagners Kompositionsstil Zukunft habe. Doch es gab auch Skeptiker. Zu ihnen gehörte Saint-Saëns, der sich nicht nur intensiv mit Musik befasste, sondern auch in der Kunst, Wissenschaft und Philosophie als Gelehrter galt. Als – selbsternannter – Eklektiker trat er für ein facettenreiches Musik- und Kulturwesen ein. 

 


La wagnéromanie est un ridicule excusable; la wagnérophobie est une maladie. | Die Wagner-Manie ist eine entschuldbare Lächerlichkeit;

die Wagner-Phobie ist eine Krankheit.

Saint-Saëns 1885


 

51-jährig, fast 30 Jahren nach seiner 2. Sinfonie, wandte Saint-Saëns sich erneut der musikalischen Form der Sinfonie zu. Sein Ziel war kein Geringeres als eine echt französische Erwiderung auf die germanophile Wagner-Manie zu bieten. Die Ideen seiner Zeitgenossen (insbesondere die Franz Liszts, dem er die Sinfonie gewidmet hat) sollten dabei ebenso eine Rolle spielen wie die Ausschöpfung des Klangreichtums, den ein großes Sinfonieorchester im späten 19. Jahrhundert zu bieten hatte. Saint-Saëns erweiterte es sogar noch um zwei Instrumente, die er selbst meisterhaft beherrschte: das Klavier (vierhändig zu spielen) sowie die Orgel.

 

Die Sinfonie besteht aus nur zwei Sätzen, die freilich wiederum in je zwei große attacca ineinander übergehende Abschnitte unterteilt sind. In beiden Sätzen ist als durchgängiges Motiv der Beginn des gregorianischen Dies irae erkennbar, in diminuierter, erweiterter oder sonstig modifizierter Form. 

 

Den Eröffnungsteil und das erste Adagio kennzeichnet ein filigranes, komplexes Klanggewebe. Dramatische Steigerungen gipfeln in einem imposanten und zugleich sehnsuchtsvollen Zusammenspiel von Orgel und Orchester. 

 

Der zweite Satz beginnt mit einem wilden Scherzo. Ein gravitätisches Signal der Posaunen bringt die Bewegung zum Stillstand und leitet zum finalen Choral mit Fuge über. Immer wieder kommt es zu klanggewaltigen Einwürfen von Orgel und Blechbläsern.

 

Saint-Saëns schöpft die Möglichkeiten des modernen Sinfonieorchesters mit exzellenter Orchestration voll aus. In beeindruckendem Umgang mit Klängen und Strukturen schuf er ein leidenschaftlich-dramatisches, tiefgründiges und zugleich formvollendetes Werk. »Hier habe ich alles gegeben, was ich konnte … so etwas wie dieses Werk werde ich nie wieder schreiben«, soll Saint-Saëns nach Fertigstellung der Sinfonie gesagt haben. | vt | is 

 


 

Dies irae (lat. »Tag des Zorns«, häufig auch in der mittellateinischen Form Dies ire) ist der Textanfang eines mittelalterlichen Hymnus vom Jüngsten Gericht. 

Er wurde erstmals im 13. Jahrhundert als Sequenz – einer Spätform des Gregorianischen Gesangs – vertont und in dieser Form Bestandteil des gregorianischen Requiems. Das Konzil von Trient (1545–1563) erklärte das Dies irae zum festen Bestandteil der Totenmesse. Seit 1970 wird es wegen des Bildes von einem zornigen Gott nicht mehr verwendet. Aus Respekt vor dem Schatz der Kirchenmusik ist das Dies irae jedoch beim Großen Requiem zu Allerseelen zugelassen, damit die Totenmessen zum Beispiel von Haydn, Mozart oder Verdi gespielt werden können.

Der Hymnus besteht aus 17 dreizeiligen und zum Schluss drei zweizeiligen Strophen. Alle Vers-Endungen einer Strophe reimen sich.

Als Autor wird traditionell Thomas von Celano angesehen, ein Freund und Biograph von Franz von Assisi; diese Zuschreibung ist allerdings

umstritten. | mz

 

 

Die ersten sechs Strophen 

in deutscher Übersetzung:

 

Tag der Rache, Tag der Sünden,

Wird das Weltall sich entzünden,

wie Sibyll und David künden. 

 

Welch ein Graus wird sein und Zagen,

Wenn der Richter kommt, mit Fragen

Streng zu prüfen alle Klagen!

 

Laut wird die Posaune klingen,

Durch der Erde Gräber dringen,

Alle hin zum Throne zwingen.

 

Schaudernd sehen Tod und Leben

Sich die Kreatur erheben,

Rechenschaft dem Herrn zu geben.

 

Und ein Buch wird aufgeschlagen,

Treu darin ist eingetragen

Jede Schuld aus Erdentagen.

 

Sitzt der Richter dann zu richten,

Wird sich das Verborgne lichten;

Nichts kann vor der Strafe flüchten.