Carl Maria von Weber


Carl Maria von Weber, Schwerdgeburth, Vogel

Carl Maria Friedrich Ernst von Weber

* 18. oder 19. November 1786 in Eutin, Hochstift Lübeck

† 5. Juni 1826 in London

Carl August Schwerdgeburth (1785–1878)

nach dem Gemälde von Carl Christian Vogel

Carl Maria von Weber. 1823

Druckgraphik



Carl Maria von Weber

1786–1826

 

Ouvertüre zur Oper

»Der Freischütz«

op. 77.1

[UA 1821]

Adagio – Molto vivace

 

 

23. 2. 2013 ► Programm Nr. 23


Papiertheaterkulisse für die Wolfsschlucht der Firma Joseph Scholz, Mainz. 

Photo nach Reprint  aus Slg. Zachow

http://loomings-jay.blogspot.de/2011/06/wolfsschlucht.html

Kupferstich von Johann Friedrich Wilhelm

 Jury 1763–1829 nach einer Zeichnung von Johann Heinrich Ramberg 1763–1840

»In dem Freischütz liegen zwei Hauptelemente, die auf den ersten Blick zu erkennen sind: Jägerleben und das Walten dämonischer Mächte, die Samiel personificirt. Ich hatte also bei der Komposition der Oper zunächst für jedes dieser beiden Elemente die bezeichnendsten Ton- und Klangfarben zu suchen; [...] Die Klangfarbe [...] für das Wald- und Jägerleben war leicht zu finden: die Hörner lieferten sie. Die Schwierigkeit lag nur in dem Erfinden neuer Melodien für die Hörner, die einfach und volkstümlich sein mußten.«

 

Mit diesen Worten erklärte Carl Maria von Weber in einem Gespräch mit dem Komponisten und Musiktheoretiker Johann Christian Lobe die Grundgedanken zur Komposition seiner großen romantischen Oper. Es zeigt sich, dass der in der Literatur und auf Opernbühnen häufig in den Mittelpunkt gerückte Wald offenkundig nicht der einzige Protagonist dieser Oper ist. Dem Hauptcharakter dieser Oper – so wollte es Weber – liegen neben der Jägeridylle die finsteren Mächte zugrunde, vom Anfang bis zum Ende.

 

Carl Maria von Weber: der Begründer eines deutschen Lokalkolorits, der Schöpfer der romantischen Oper, der Komponist der deutschen Nationaloper »Der Freischütz«! Nicht selten werden die Künstlerpersönlichkeit Webers und sein Œuvre untrennbar im Zusammenhang mit Deutschland oder mit nationalem Gedankengut reflektiert – was den Blick auf sein mannigfaltiges Schaffen und Wirken jedoch einschränkt. In der Künstlerperson Webers vereinen sich Musiker, Komponist und Dirigent. Er war wegbereitend als Dichter, Ästhetiker, Kritiker, Schriftsteller und Kulturpolitiker. Seine öffentlich geäußerte Kritik am Opernbetrieb, sowie die von ihm betriebenen Neuerungen – wie etwa das Einführen des Taktstocks oder die Änderung der Sitzordnung des Orchesters – charakterisieren ihn als einen der prägendsten Musiker des 19. Jahrhunderts. Mit seinen Kompositionen wollte Weber aus Einfachheit, Tiefe und Ursprünglichkeit ein charakteristisches Ganzes entwickeln. Nicht ohne Grund wird er daher auch als Vordenker des wagnerschen Gesamtkunstwerkes bezeichnet. Zwar war es Weber wichtig, dass seine Musik autonom hervortritt, aber dennoch das Drama gliedert und dem Text zu seiner vervollkommneten Aussage verhilft. Tatsächlich verstand er es eindrucksvoll, mithilfe weniger Takte eine musikalische Klang-Atmosphäre aufzubauen, die den Zuhörer fesselt, ihn bewegt. 

 

Weber hat in der Entwicklung der Freischütz-Ouvertüre, wie auch der Librettist Kind im Sujet der Oper, den Konflikt zwischen der Jägeridylle und den finsteren Mächten musikalisch wie dramaturgisch äußerst scharfsinnig gegenübergestellt, mitunter durchaus parodistisch und ironisch. Mit diesem facettenreichen Einleitungsstück hat Weber nicht nur die musikalische Essenz der Oper komponiert, sondern auch ein in sich geschlossenes, eigenständiges konzertantes Werk geschaffen, das Einblick in die Psyche und Abgründe des Menschlichen offenbaren kann.

 

Schon bei der Uraufführung in Berlin am 18. Juni 1821 zeichnete sich ab, welch einflussreichen Meilenstein der deutschen Operngeschichte Weber komponiert hatte. So schrieb Weber selbst: »Abends als erste Oper im neuen Schauspielhause: ‚Der Freischütz‘. Wurde mit dem unglaublichsten Enthusiasmus aufgenommen. Ouvertüre und Volkslied (Jungfernkranz) da capo verlangt, überhaupt von 17 Musikstücken 14 lärmend applaudiert. Alles ging aber auch vortrefflich und sang mit Liebe. […] Gedichte und Kränze flogen. – Soli Deo Gloria.«   

| Markus Tatzig

 

– Eckart Kröplin: »Opernästhetische Fragestellungen bei Weber«. In: Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR (Hrsg.): Beiträge zur Musikwissenschaft. o. O. 1988.

– Wolfgang Michael Wagner: Carl Maria von Weber und die deutsche Nationaloper. In: Gerhard Allroggen/Joachim Veit (Hrsg.): Weber-Studien in der Verbindung mit der Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe, Band 2. Mainz 1994.



Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 1


Carl Maria von Weber

1786–1826

 Konzert für Klarinette

und Orchester Nr. 1 f-Moll

op. 73

 

 

Henrik Lange, Klarinette 

14./15. 1. 2006 

► »Klassik im Salon 9«


Die Klarinette kann als relativ junges Mitglied der Familie der Holzblasinstrumente nur auf ein relativ kleines Konzertrepertoire zurückgreifen. Dieses Repertoire ist allerdings von ausgesprochen hoher Qualität, was sicherlich auch daran liegt, dass viele Werke Frucht einer freundschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Komponisten und Virtuosen sind. Wolfgang Amadeus Mozart schrieb sein Klarinettenkonzert für seinen Freund, Kegelbruder und Zechkumpanen Anton Stadler, Louis Spohr seine vier Konzerte für den begnadeten Virtuosen Simon Hermstedt. Johannes Brahms war begeistert von „Fräulein Klarinette“ Richard Mühlfeld, für den er seine Sonaten und das Quintett komponierte, und Igor Strawinsky ließ sich von Woody Herman zu seinem Ebony Concerto inspirieren. 

 

Im Leben Carl Maria von Webers bildet die künstlerische wie persönliche Freundschaft zu dem Klarinettenvirtuosen Heinrich Joseph Baermann ein wichtiges Kapitel. Für den 24-jährigen noch recht unbekannten Weber bedeutete die Begegnung mit Baermann im Jahr 1811 zunächst einen deutlichen Karrieresprung. Weber war auf der Suche nach einer festen Anstellung an einem bedeutenden Hof und hielt sich für längere Zeit in München auf. Baermann, Erster Klarinettist der berühmten Hofkapelle König Maximilians I., bestellte bei ihm ein Concertino, das sofort zum durchschlagenden Erfolg wurde. Weber berichtet:

 

„Seit ich für Bärmann das Concertino componirt habe, ist das ganze Orchester des Teufels und will Concerte von mir haben. Sie überlaufen den König und die Indendance, und wirklich ist dermalen für ziemlichen Preiß bei mir bestellt.“

 

Weber machte sich sofort an die Ausführung des lukrativen Auftrags. Schon vier Wochen später war das erste der beiden bestellten Konzerte vollendet und kam zur Aufführung. Baermanns Einfluss auf Webers Komposition ist dabei nicht zu unterschätzen: Nicht nur steuerte er Kadenzen zu den Ecksätzen bei, er unterwies den Komponisten auch in die noch nicht ausgeschöpften klanglichen Möglichkeiten der Klarinette. Einige von Webers viel gerühmten Instrumentationskünsten des »Freischütz« haben hier ihren Ursprung, so etwa die Ausnutzung der tiefen Lage zur Schilderung der dämonischen Wolfsschlucht oder der weichen Mittellage zur Charakterisierung der lichten Bühnenheldin Agathe.

Die klassische Konzertform wird im f-Moll-Konzert sehr frei gehandhabt und erfährt eine charakteristische Umdeutung: weg von den ausgewogenen Symmetrien der Wiener Klassik hin zu einer eher opernhaft-rhapsodischen Abfolge von Stimmungsgegensätzen. Dies wird besonders im ersten Satz Allegro ma non troppo deutlich: Aus dem düsteren Eingangsmotiv der Celli und Bässe entwickelt sich ein dramatisches Orchestervorspiel mit harmonisch überraschenden Wendungen. Die solistisch einsetzende Klarinette nimmt daraufhin nicht die Motive des Orchesters auf, sondern schlägt elegisch und verhalten einen ganz neuen Tonfall an. Auch im weiteren Verlauf behalten Solist und Orchester jeweils ihre eigenen Motive. Tempowechsel und überraschende Verzögerungen verstärken den Eindruck des Episodischen, so dass man den Satz eher als instrumentale Opernszene denn als formal geschlossenen Konzertsatz im Sinne Beethovens deuten kann.

Auch das Adagio ma non troppo ist auf Kontrastwirkung angelegt. Auf den volksliedhaft-schlichten Hauptteil folgen ein aufrüttelnder Einwurf des gesamten Orchesters und eine Episode der Hörner im Notturno-Tonfall. Das quirlige Schluss-Rondo ist einer von Webers gelungensten Konzertsätzen. Elegant hält er die Balance zwischen dem gassenhauerhaften Hauptthema und den heroischen bis elegischen Nebenthemen.

 

Über die Uraufführung des Konzerts im Mai 1811 berichtet Weber:

„Abends Concert, worin Bärmann ganz vortrefflich mein f moll Conc: blies, sein Vortrag ließ mir nichts zu wünschen übrig, auch gefiel es ausgezeichnet.“

 

Damit war auch die lebenslange Freundschaft zwischen Weber und Baermann besiegelt. Viele gemeinsame Konzertreisen und eine Reihe von Kompositionen, die Meilensteine in der Klarinettenliteratur bilden, sollten folgen. | H. L.